Dass die demografische Entwicklung gerade durch eine niedrige Geburtenrate gekennzeichnet ist, ist allgemein bekannt. Man sollte meinen, dass dann alle unsere Bemühungen dahin gehen, nun erst recht unsere wenigen Kinder auf einen guten Weg zu bringen und sie optimal zu unterstützen.
Tatsächlich lässt sich beobachten, dass einige Kinder in einem Höchstmaß durch ihr Elternhaus gefördert werden. Dabei wird zu viel des Guten den Kindern auch nicht gut tun. Zu wenig des Guten aber nimmt Kindern von Anfang an die Chance auf Teilhabe und Teilgabe in unserer Gesellschaft. Von Kinderarmut sind allein in NRW ca. 800.000 Mädchen und Jungen betroffen. Eine erschreckend hohe Zahl!Der hl. Vinzenz von Paul, Namensgeber unserer Vinzenz-Konferenzen, hatte es seinerzeit mit Kindern, die in Elend leben mussten, zu tun. Wir treffen heute Armut unter Kindern in unseren Städten in anderer, versteckterer Form an. Mit dem Hl. Vinzenz von Paul teilen wir das Anliegen, uns dafür einzusetzen, dass Kinder förderliche Bedingungen haben ins Leben zu starten, ihre Talente zu entwickeln und zu entfalten.
Auf unserem Diözesantag wurde uns mit Andreas Bröcher ein Referent zur Verfügung stehen, der Einblicke in die Realität von armen Kindern gab.

 

Die WAZ schrieb dazu am 05. Mai 2015

Kinderarmut beschäftigt Vinzenz-Konferenzen
Jedes fünfte Wittener Kind lebt in einer Harzt IV-Gemeinschaft. Gläubige diskutieren Ursachen und Lösungsvorschäge

In Witten leben die meisten armen Kinder des EN-Kreises: Jedes fünfte Kind wächst in einer Harzt-IV-Gemeinschaft auf. Das belegt der Armutsbericht für den Kreis. Kinderarmut war auch das Thema beim Jahrestreffen der Vinzenz-Konferenzen im Erzbistum Paderborn. Dieser Diözesantag fand in St. Marien statt.
Referent Andreas Bröcher (56) ist Geschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbundes Bremen und Vizepräsident der Gemeinschaft der Vinzenz-Konferenzen Deutschlands. Er selbst, so sagt er, habe sich nie arm gefühlt, auch wenn es seine Eltern mit fünf Söhnen sicher nicht leicht hatten. Armut galt als etwas Normales, „gottgegeben“, führt Bröcher vor rund 65 Zuhörern aus.
Heute führe Armut zu einer Ausgrunzung, schwierigen Wohnverhältnissen, Nachteilen bei der Bildung und Gesundheit. Und: „Armut ist vielen peinlich“, sagt Diözesan-Geschäftsführer Matthias Krieg.
Als ein positives Wittener Beispiel nennt Andreas Bröcher die Ruhrtalengel, die in Annen bedüftige Kinder mit Mittagessen versorgen. Dazu Ulrich Schürmann, stellvertretender Diözesan-Vorsitzender: Nach seinen Erfahrungen kommt ein Viertel aller Kinder ohne Frühstück in die Schule, unabhängig davon, ob die Eltern Arbeit haben oder nicht.
Eltern und Großeltern hätten dabei Vorbildfunktion. Bröcher erzählt von einem Fall, wo ein Vierjähriger, befragt, was er werden wolle, „Hatz IV“ antwortete – so wie Papa und Opa. Eine engagierte Erzieherin habe daraufhin das Kind einmal morgens abgeholt und zum Bäcker gebracht, um Brötchen herzustellen. Waraufhin der Junge nun „Bäcker“ als Berufswunsch angibt.
Andreas Bröcher schlägt vor, eine Kindergrundsicherung einzuführen: 536 Euro im Monat reichten, habe man ausgerechnet. Und er äußert die für einen Katholiken überraschende Ansicht, er empfehle auch einmal einer Frau, sich von einem Mann zu trennen: „Es ist besser, die Ehe nicht unauflösbar zu halten. Und zu sagen: Geht in Herrgotts Namen, es ist besser für die Kinder.“
(Der Artikel wurde von Steffen Hamann verfasst)